ERLESEN

Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz auf die Consultingbranche

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wurde am 11. Juni 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossen und tritt schrittweise in Kraft. Seit dem 1. Januar 2023 gilt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, ab dem Jahr 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Nach dem ersten Quartal zieht Rechtsanwalt und BDU-Geschäftsführer Kai Haake eine erste Zwischenbilanz der Auswirkungen für Unternehmensberatungen.

Die große Anzahl der Unternehmen aus der Consultingwirtschaft ist zwar nicht direkt von diesem Gesetz betroffen. Die Erfahrungen der ersten Monate diesen Jahres und auch schon aus 2022 zeigen jedoch, dass Beratungsunternehmen indirekt, aber dennoch spürbar, vom LkSG betroffen sind, wenn sie Dienstleistungen für Konzerne und Großunternehmen mit unmittelbarer LkSG-Betroffenheit erbringen. In diesem Fall müssen sie sicherstellen, dass sie keine Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards in ihrer eigenen Dienstleistung bzw. Lieferkette begehen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um Verstöße zu vermeiden oder zu beheben. Exemplarisch dafür fragt beispielsweise eine große Bank alle seine Dienstleister – ausdrücklich auch Consultants – ab, ob „sie die Menschenrechte einhalten.“

In aller Regel sind Beratungsunternehmen zwar nicht der Gefahr ausgesetzt, grundlegende menschenrechtliche Pflichten zu missachten. Dennoch: Inhaltlich und zeitlich anspruchsvolle Projekte, oft mit internationalem Bezug, führen zu einem besonderen Augenmerk vor allem der in § 2 Abs. 2 und 3 LkSG aufgeführten Schutzbereiche:

 

    • Sicherstellung des Arbeitsschutzes zur Vermeidung körperlicher und geistiger Ermüdung am Arbeitsplatz
    • Achtung der Koalitionsfreiheit
    • Vermeidung von Diskriminierungen
    • faire Entlohnung

 

Arbeitsschutz

In Deutschland ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die wichtigste Grundlage für den Arbeitsschutz. Arbeitgeber sind verpflichtet, sichere und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen, in dem Gesundheitsgefahren, wie z.B. übermäßige körperliche oder geistige Ermüdung am Arbeitsplatz erkannt und notwendige Schutzmaßnahmen eingerichtet werden. Eine ähnliche Vorgabe gibt das ILO-Übereinkommen Nr. 155 vor. Was ist zu empfehlen? Beratungsunternehmen sollten die ‚klassischen‘ Pflichten, etwa die Gefährdungsbeurteilungen von Arbeitsplätzen, aber auch die Beachtung von Höchstarbeitszeiten sicherstellen. Maßnahmen wie ein betriebliches Gesundheitsmanagement ergänzen diese Punkte – alles mit dem Ziel, dass die Mitarbeitenden keinen Überlastungen aufgrund ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind.

 

Koalitionsfreiheit

In Deutschland garantiert Artikel 9 Grundgesetz das Recht für Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen. International sieht das ILO-Übereinkommen Nr. 87 die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vor. Die Consultingwirtschaft ist in Deutschland keine tarifgebundene Branche, es gibt auch keinerlei Hinweise in der Vergangenheit, dass Beratungsunternehmen Betriebsräte verhindert hätten – im Gegenteil: Es gibt Consultingfirmen, die Gewerkschaften und Betriebsräte beraten (vgl. § 80 Abs. 3 BetrVG). Haben Beratungsunternehmen Auslandsbezüge in ihrer Lieferkette, etwa ein Büro oder Unterauftragnehmer, sollten sie etwas genauer prüfen. In Staaten, in denen die Koalitionsfreiheit eingeschränkt ist, sollten sie beispielsweise versuchen, durch unternehmensinterne Angebote an die Belegschaft, deren Mitsprache zu ermöglichen.

 

Diskriminierungsverbot

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt in Deutschland ein integratives und unterstützendes Arbeitsklima ohne Diskriminierung sicher, bei der alle Mitarbeiter unabhängig von „Rasse“, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität, Behinderung, Alter, Religion oder Weltanschauung gleichbehandelt werden. In der ILO wird das Diskriminierungsverbot im Übereinkommen Nr. 111 festgelegt. Insbesondere bei der Mitarbeitergewinnung sollten Beratungsunternehmen auf die Einhaltung dieser Vorgaben, insbesondere durch neutrale, diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren, achten.

 

Gleiche Entlohnung

Frauen und Männer müssen für gleiche Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Dieser Grundsatz der Entgeltgleichheit folgt aus Artikel 3 Grundgesetz und ist im ILO-Übereinkommen Nr. 100 niedergelegt. Auch hier gilt: Beratungsunternehmen achten bei Einstellungen und Beförderungen auf die Erstellung und Einhaltung geschlechtsunabhängiger, rein leistungsorientierter Kriterien. Denkbar wären hier Maßnahmen wie regelmäßige Entgeltgleichheitsanalysen, bei der die Vergütung aller Beschäftigten systematisch und differenziert nach relevanten Kriterien wie Tätigkeit, Qualifikation, Erfahrung, Leistung und Arbeitszeit erfasst und ausgewertet werden. Wenn bei der Entgeltgleichheitsanalyse geschlechtsspezifische Entgeltungleichheiten festgestellt werden, müssen geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung ergriffen werden. Hierzu können beispielsweise Anpassungen bei der Vergütung, die Überprüfung von Bewertungs- und Entlohnungssystemen oder die Durchführung von Schulungen zur Sensibilisierung für Entgeltgleichheit zählen.

 

Für alle diese Punkte gilt: Beratungsunternehmen, die Nachweise nach dem LkSG erbringen müssen, sollten sich diese Punkte besonders zu Herzen nehmen und durch geeignete Unterlagen belegen.

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