Veränderungsmanagement

Change Management in der Informations- und Wissensgesellschaft: Zehn Herausforderungen und Chancen für Unternehmen und Berater

Wissen wird der wichtigste Rohstoff der Zukunft sein, der Umgang damit so zu einem zentralen ökonomischen Erfolgsfaktor. Längst ist klar, dass globale Märkte und die digitale Transformation ein neues Zeitalter eingeläutet haben. Was bedeutet die Entwicklung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft für die Organisation in Unternehmen? Welche konkreten Herausforderungen leiten sich daraus für die Veränderungsarbeit ab? Und was sollten Unternehmen künftig von externen Change-Beratern erwarten dürfen? Antworten aus der Beratungspraxis gibt der Fachverband Change Management in seinem aktuellen Trendreport.

Neue Komplexität braucht neues Denken

Wachsende Informationsströme, schnellere Datenverfügbarkeit, höhere Dynamik, mehr Aufgaben: Während all das zunehmend die faktische Realität in Unternehmen prägt, zeigt sich, dass Denkmodelle und Lösungsansätze (noch) nicht Schritt halten. Weit verbreitet ist ein nicht mehr zeitgemäßes tayloristisches Management- und Change-Verständnis, das davon ausgeht, die Welt würde zwar komplizierter, aber nicht „anders“.

  • „Komplexität“ ist das Stichwort der Stunde. Es wird immer mehr zur unternehmerischen Aufgabe, komplexe Zusammenhänge zu erkennen, zu managen und zu bewältigen. Change Management in Unternehmen muss sich darauf ausrichten – und ebenso verändern.

 

Auf dem Weg zur lernenden Organisation: Hinterfragen ist gefragt

Was Change ist und Veränderungsmanagement bedeutet, dazu gibt es in Unternehmen häufig ganz unterschiedliche Auffassungen und Know-how-Tiefen. Reine Optimierungsaufträge der Unternehmensleitung ohne echtes Gestaltungsmandat setzen Führungskräfte regelmäßig dem Dilemma aus, etwas Grundlegendes ändern zu müssen, jedoch im Kern nichts verändern zu dürfen. So werden lediglich Symptome behandelt.

  • Künftig wird es darum gehen, das Bestehende grundsätzlich und immer wieder infrage zu stellen – damit aus einer statischen eine lernende Organisation werden kann. Für die Unternehmensleitung heißt das: Fragezeichen müssen „von oben“ wirklich gewollt sein. Für Führungskräfte heißt das, sich selbst und den Status quo immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen – und dies „nach oben“ auszuhalten.

 

Strategische Ziele und stabile Strukturen statt Aktionismus und Symbolik

Rege Betriebsamkeit und eine starke Orientierung auf rasch abzuarbeitende Maßnahmen, verkürzte Zeitfenster und der laute Ruf nach sofort sichtbaren Ergebnissen, symbolische Versatzstücke aus dem Projektmanagement-Baukasten und Top-Down-Initiativen: Das sind – leider – typische Merkmale vieler Change-Projekte.

  • Wer Veränderung erfolgreich bewältigen will, braucht künftig andere Dinge. Ohne mittel- bis langfristige strategische Organisationsziele und dauerhaft angelegte Management-Prozesse wird es nicht gehen. Genauso wenig verzichtbar sind eine stabile Change-Architektur und eine individuelle Change-Kultur.

 

Daueraufgabe akzeptieren: Change ist das neue „Normal“

Viele Entscheider operieren nach wie vor in der zumindest latenten Hoffnung, dass die begonnene Veränderung zum Zeitpunkt X endet – „und anschließend kehrt wieder Ruhe und Erholung in den Betrieb ein“. Tatsächlich lässt sich jedoch beobachten, dass neue Änderungsanlässe nicht selten bereits entstehen und Handlungsdruck auslösen, während aktuelle Change-Prozesse noch in vollem Gange sind. 

  • Veränderung wird zunehmend eine nicht-lineare, das heißt „chaotische“ und unvorhersehbare, Daueraufgabe, die nur noch in Ausnahmefällen mit Ruhepausen belohnt wird. Je früher sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es keine „normalen“ Jahre mehr geben wird – desto besser für das Unternehmen.

 

Wissen, Kompetenzen, Kommunikation: Es muss Sinn machen

Welche Informationen sind wichtig und wie komme ich da „ran“? Wer hat welche Kompetenzen, was wird künftig gebraucht? Im Wissenszeitalter mangelt es Unternehmen – und hier insbesondere der mittleren Führungsebene – nicht an Daten, sondern an der Fähigkeit, sie für das aktive Change Management nutzbar zu machen.

  • Das Handling von veränderungsrelevanten Informationen wird in Zukunft wesentlich über den Erfolg von Change-Prozessen mitentscheiden. Nur Führungskräfte mit Überblick und Durchblick können fokussiert an strategischen Zielen arbeiten und Entscheidungen überzeugend nach innen kommunizieren. Immer wichtiger dabei: der offene Umgang mit „Nicht-Wissen“. Und: Die Unternehmenskommunikation muss vor allem ihre Aufgabe des „Collective Sensemaking“ erfüllen, das heißt die Mitarbeiter gleichzeitig für einen dauerhaften Lernprozess und die Umsetzung der aktuellen Veränderung mobilisieren.

 

Führen heißt integriertes Arbeiten ermöglichen.

Übergreifende Teams erarbeiten „tolle Lösungen“, die in der Hierarchie oft nicht akzeptiert werden: Diese Erfahrung wiederholt sich in Unternehmen Tag für Tag. Die Linienorganisation steht den Flexibilitäts- und Austauschanforderungen von Veränderungsvorhaben im Weg. Führungskräfte reiben sich in diesem Spannungsfeld auf.

  • Mit zunehmender Professionalisierung wird Change Management immer mehr Teil der Führungsaufgabe. Doch wie werden Führungskräfte zu besseren Change Managern? Indem sie ihr Selbstverständnis von Führung überprüfen und sich stärker als „Rahmensetzer“ verstehen. Es gilt Bedingungen zu schaffen, die echte Zusammenarbeit möglich machen und Mitarbeiter dazu befähigen. Voraussetzung: besser loslassen und vertrauen können, Entscheidungen stärker in die „Peripherie“ – sprich näher an Kunden und Umsetzung – verlagern, Prozesse vom Ergebnis her denken, unterschiedliche Perspektiven zulassen.

 

Beraterrolle: Klienten wollen das volle Paket – aus einer Hand

Das Wissenszeitalter bewegt die Welt der Unternehmen – und gleichermaßen die der externen Change-Berater: So achten Unternehmen beim Einkauf von Beratungsdienstleistungen immer häufiger darauf, eine „komplette“ Begleitung für Inhalte, Strukturen und Prozesse zu erhalten. Während die Beraterbranche bislang gerne zwischen branchenspezifischer Fachberatung und methodenbasierter Strategie- oder Prozessberatung unterschied, wünschen sich Klienten zunehmend kein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“.

  • Es ist eine Rolle, die breiter und tiefer wird: Neben der Qualifizierung von Führungskräften müssen Change-Berater künftig in der Lage sein, auch einen strategischen Prozess bereitzustellen und eigenes Umsetzungs-Know-how einzubringen. Bei Bedarf kann daraus sogar ein informelles Interimsmanagement erwachsen, das nicht nur Lösungen einbringt, sondern sie ganz konkret vor Ort durchsetzt.

 

Beratungsmandat: Klare Verhältnisse sind wichtiger denn je

Die vielschichtige Kombi-Rolle als Lösungsprozess-Anbieter, der zeitgleich auch Fachinput-Geber und Umsetzer ist, erweitert automatisch das „Macht-Mandat“ von Beratern. Ohne eindeutige Klärung der finalen Verantwortung kann daraus schnell ein Loyalitätskonflikt entstehen, wie ihn viele interne Führungskräfte im Change nur zu gut kennen. Gerade, da Anfang und Ende von Veränderungsprojekten beobachtbar diffuser werden.

  • Mehr und mehr kommt es also auf die Auftrags- und Rollenvereinbarung zwischen Klienten und Beratern an. Entscheidend: das Erstgespräch und der Klärungsaufwand vor Mandatsannahme. Nur wenn beide Seiten frühzeitig „Tacheles“ reden, wird daraus eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Change. Allen Beteiligten muss bewusst sein, was Veränderung wirklich bedeutet: Hinterher werden andere Dinge getan oder bestehende Dinge anders gemacht − und meist sowohl das eine als auch das andere.

 

Beraterfunktion: Vermitteln, Verbinden, Sensibilisieren.

Auch die Entwicklung zur Wissensgesellschaft ändert nichts daran: Allein die Unternehmensleitung entscheidet und treibt einen Strategieprozess im Change. In Zeiten der Zahlenfixierung brauchen Entscheider dringend eine letzte Instanz, die sie immer wieder für den „Faktor Mensch“ sensibilisiert.

  • Change-Berater müssen der Garant dafür sein, dass Veränderungsprozesse ganzheitlich gedacht werden – sind es doch häufig Haltungen und Handlungsmuster der Beteiligten, also die als „weich“ bezeichneten Faktoren, die am Ende den qualitativen Unterschied machen. Dazu gehört es unter anderem, die Art des Umgangs mit Komplexität zu thematisieren, Unsicherheiten im Unternehmen zuzulassen, gezielt und wiederkehrend Fragen zu Erfolgs- und Misserfolgsursachen zu stellen oder Reflexionsprozesse und „Suchbewegungen“ auszulösen.

 

Zukunftsdisziplin: Change-Beratung im Change

Die Signale sind deutlich: Um den Erwartungen von Unternehmen in der Wissensgesellschaft weiterhin gerecht werden zu können, muss sich Change Management als Beratungsdisziplin weiterentwickeln – und wandeln.

  • Change-Berater sind gefordert, sich selbst und ihre Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. Statt vorkonfektionierte Beratungskonzepte braucht es individuell angepasste Change-Architekturen, die die harte betriebswirtschaftliche Seite und die weichen Aspekte einer Veränderung gleichermaßen integrieren. Folge: Die bisher oft praktizierte Trennung zwischen Projektmanagement und Change Management wird aufgehoben. Der entscheidende Erfolgsfaktor: Change Management dient nicht mehr länger dazu „die Menschen mitzunehmen“, sondern Business-Probleme zu lösen. Die Kunst des Change Managements wird künftig darin bestehen, die Organisation zu aktivieren und das vorhandene Potenzial – sprich: die Intelligenz der Organisation – für den Wandel und den Geschäftserfolg nutzbar zu machen.

 

Wer wir sind:

Im BDU-Fachverband Change Management sind aktuell rund 20 auf dieses Beratungssegment spezialisierte Expertinnen und Experten organisiert. Der Fachverband Change Management wurde im Jahr 2005 von BDU-Beraterinnen und -beratern unterschiedlicher Fachdisziplinen gegründet, die eine Aufgabe in den Mittelpunkt des neuen Fachverbandes stellen wollten, die in der Beratungspraxis immer stärker gefordert wird: die konstruktive Gestaltung von Veränderungsprozessen. Unser Fachverband trifft sich drei Mal im Jahr und bietet ein qualifiziertes Forum für den Erfahrungsaustausch und zur Erweiterung der persönlichen Beratungskompetenz. Unsere Mitglieder verbindet das Ziel, Erfahrungen und Neuerungen in unserem Arbeitsgebiet miteinander zu diskutieren und in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen. Darüber hinaus schließen sie sich auch zu projektbezogenen Partnerschaften oder für gemeinsame Ausarbeitungen zu bestimmten Themen zusammen.

 

Über den Fachverband Change Management im BDU e.V.

Der Fachverband Change Management feiert 2015 sein 10-jähriges Bestehen. Unter dem Dach des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) beschäftigt sich die 20-köpfige Expertengruppe mit den wichtigsten Trends und Zukunftsfragen rund um die Gestaltung von Veränderungsprozessen, bringt wissenschaftliche Ansätze und Beratungspraxis zusammen, bezieht Stellung zu aktuellen Themen und gibt Entscheidern in Unternehmen konkrete Empfehlungen an die Hand. Dabei versteht sich der Fachverband als Impulsgeber und Plattform für Dialog und Reflexion.