Strategie und Innovation

Der beste Wert: Investoren/Kreditgeber müssen die Einzelkundenwerte genau kennen

Es entspricht der Tradition, argumentierte der weltweit anerkannte Stratege C.J. Prahalad, Geschäfte als Business to Business (BtoB) oder Business to Consumer (BtoC) zu bezeichnen. Business, das Geschäft steht also an erster Stelle und wird aus einer unternehmenszentrierten Perspektive gesehen. Doch, so interpretiert er seine Forschungsergebnisse, führt das nicht mehr in die Zukunft. Businesspläne, die so aufgebaut sind, werden die goldene Milch nicht leicht erreichen. Und nur sehr gute Businesspläne sind das einzig wahre Fundamente von Investitionen.

Der Zweck erfolgreicher Unternehmen fokussiert zukünftig auf den einzelnen Kunden. Das klingt wie eine Binse, wo doch allenthalben von Kundenloyalität, Customer Relation Management usw. die Rede ist. Doch dieseSachebenen dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass der Zweck des Unternehmens die zentrale Bedeutung für das Unternehmen hat und häufig völlig unzulänglich definiert ist. Wenn aber der Zweck nicht stimmt, stimmt auch alles andere nicht. Der Zweck definiert das Unternehmenssystem, aus dem sich alle Sachfragen, die Businesspläne und letztendlich der Erfolg beantworten.

Es kommt nicht wie in der Vergangenheit auf Massengruppen sondern jeden einzelnen Kunden eines Unternehmens an. Der Unternehmenszweck, von dem das gesamte Unternehmen gesteuert wird, kann zwei einfache Formulierungen aufweisen:

  1. Zweck des Unternehmens ist es, jeden einzelnen (!) Kunden mit der Unternehmensleistung zufrieden zu stellen
  2. Zweck des Unternehmens ist es, den gewünschten, individuellen Kundennutzen durch Transformation von Ressourcen herzustellen

Um dieses in einem gut geführten Unternehmen umzusetzen, bedarf es nur einesSteuerungssystems: Dem Rückwärtscode vom Kunden zum Unternehmen und zurück. Also C to B to C.

 

Businesspläne basieren zu oft auf Massendaten

Doch wenn Banken oder Investoren die Businesspläne ihrer Kunden durcharbeiten, so werden sie mit Massendaten überschüttet: Marktdynamiken, Marktanteile, Segmente… alles Begriffe aus der Annahme vom Kunden als geschlossene homogene, gleichgetaktete Gruppen. Daraus lassen sich weder eine auf Dauer tragende Strategie ableiten, noch der Wert des Unternehmens im Zukunftsgeschehen perfekt abbilden. Letztendlich wird dann noch die Konjunktur - wie in der Mode- oder Baubranche - als Begründung für unternehmerische Zukunftsprognosen hinzugezogen. Doch die Vorhersage in den Businessplänen ist dann genau so unscharf wie die globale Wettervorhersage. Nur das örtliche Wetter entscheidet, was der Bauer säen und ernten kann. Kein anderes.

 

Jaak Peeters, President Janssen-Cilag EMEA in Neuss stellt fest: „Eine durchgängige, nachhaltige Strategie durch das ganze Unternehmen ist der entscheidende Führungsansatz für jeden Manager.“ Auch er betont eine strategische und operative Einzelkunden- und Kundenwertsteuerung aller Unternehmensbereiche, wie Marketing, Vertrieb, Kommunikation bis hin zu Disposition, Beschaffung und Produktion. Hier benoten wir besonders im klassischen B to B und uns den Möglichkeiten, durch die Bewertung des Einzelkunden den wahren Wert des Unternehmens ganz nahe zu kommen.

 

Der Schluss ist für alle Märkte und damit alle Unternehmen der gleiche: Nur die Ausrichtung des Unternehmens auf den Einzelkunden und die Planung mit ihm bestimmt die Unternehmenszukunft.

Interessant: Für ihr eigenes Geschäft haben Banken das oft gewusst und angewandt. Denn: Sie planen schon immer das Einzelkundengeschäft und bewerten ihr Risiko vom einzelnen Industrie- oder Dienstleistungskunden her. Aber diese sind meistens selber nicht so aufgestellt, was das Risiko der Bank – oder auch des Investors - damit drastisch erhöht.

 

Auch nicht der Marktanteil, oft auch ein Fetisch in den Businessplänen und eine Betrachtung von Masse, bestimmt die Steuerung des Unternehmens. Marktanteil sagt nichts darüber aus, wie das Unternehmen bei seinen Kunden aufgestellt ist.

 

Auf welche Daten und Werte sollten also Finanziers ganz gezielt und aufmerksam achten, ob sie diese bei ihren Kunden vorfindet?

 

Das Unternehmen muss einzelne Kunden klassifizieren

 

Zur Qualifizierung braucht man mindestens folgende Parameter:

  • Umsatz in einer ABCD-Klassifikation
  • Potenzial – oder operative Lücke - in einer I-II-III-IV Klassifikation
  • Anteile, die der Kunde in der Klasse zwar kauft, die aber das eigene Unternehmen nicht liefern kann. Wir nennen das strategische Lücke.
  • Kundenwiderstand oder den Umsatz, den der Kunde einem zweiten Anbieter aus Gründen der Risikostreuung oder anderer Vorteile wegen gibt. Wir nennen ihn auch nicht erreichbaren Lieferanteil [vgl. Fallbeispiel einer Berechnung aus Einzelkundendaten in Abb.]

 

Die Erschließung der operativen Lücke entspricht der Kernaufgabe des Vertriebes. Nur hier kann sofort Wachstum erzielt werden.

 

Der beste Wert, den ein Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen also haben kann, sind die Potenziale auf den einzelnen Kunden bezogen und eine Planung, diese durch genau auf diesen Kunden gezielt ausgerichtete Massnahmen zu erschließen. Die Addition dieser Werte und Kundenerschließungskosten auf einer sauberen Erhebungs- und Planungsbasis ist ein Fundament für jedes Investoren- bzw. Finanzierungsgeschäft. Kundendurchdringung hat eine Erfolgschance von immerhin 80 Prozent.

 

Die Erschließung der strategischen Lücke dagegen erfordert eine strategische Entscheidung des Managements, das Leistungsangebot um die Marktleistung in der strategischen Lücke zu erweitern. Dieses geschieht durch ein aktives Innovationsmanagement mittels Forschung & Entwicklung, Lizenzhereinnahme, Produkt- oder sogar Unternehmensakquisition. Die beste Marke, die ein Unternehmen dort aufzeigen kann, ist eine sehr gute Prozessorganisation, die die strategische Lücke füllt. Die Marktleistungserhöhung hat jedoch schon eine deutlich verminderte Erfolgschance. Sie beträgt 50 Prozent.

Was sind aber Marktleistungen genau?

 

Unternehmen sollen Marktleistungen entwickeln

Das Angebot eines jeden Unternehmen besteht aus vielen modularisierten Marktleistungen. Marktleistungen sind das Produkt und (!) alle Elemente [Werbung, Preis, Information, Kundendienst, Verfügbarkeit, Lieferschnelligkeit…) eines Unternehmens, die der einzelne Kunde individualisiert zusammengesteckt haben will. Eine herausfordernde Aufgabe ist es, verschiedene Marktleistungen zu entwickeln. Doch nicht jede Marktleistung ist für jeden Kunden gleich wichtig – manche will er überhaupt nicht. Darum existieren mehr Marktleistungen in einem Unternehmen, als der Durchschnittskunde abrufen und bezahlen würde. Die modularisierten Marktleistungen werden auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden untersucht.

 

Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sollen ihre Kunden vor allen Dingen auch über ihre Potenziale begreifen: Kunden machen nicht nur einen aktuellen Umsatz, sondern bieten dem Unternehmen auch weitere Potenziale. So kann ein Kunde mit x Umsatz kaum noch weiteres Potenzial besitzen, ein anderer mit der gleichen Umsatzhöhe noch sehr viel. Daraus erfolgt zwangsläufig, Kunden unterschiedlich zu behandeln: Nach ihren Anforderungen, der eigenen unternehmerischen Strategie und der ökonomischen Vernunft. „Den durchschnittlichen Kunden gibt es nicht. Darum behandeln wir ihn auch nicht durchschnittlich“, lautet das Credo dazu.

 

Kundenwert bildet die neue, elementare Zielgröße

Der beste Wert ist der Einzelkundenwert. Denn diese Zielgröße beschränkt sich nicht nur auf gegenwärtige und künftige Erträge aus der Kundenbeziehung, sondern wir entwickeln je nach Branche ebenso weitere komplementären Wertbeiträge und Wertpotenziale eines Kunden [z. B. Referenzen]. Wir listen zur Ermittlung des Kundenwertes u.a. folgende Kriterien auf und vergleichen sie mit allen Antworten aus dem Unternehmen:

  • vorhandenes (Gesamt-) Potenzial
  • kurz- bis mittelfristig realisierbares Potenzial [operative Lücke]
  • eigene Wettbewerbsstärke [Lieferanteil]
  • aktueller und zukünftig zu erwartender Kundenertrag
  • Erweiterbarkeit des bestehenden eigenen Marktleistungsportfolios [strategische Lücke]
  • Einschätzung der Branchenentwicklung im (strategischen) Geschäftsfeld
  • Einschätzung der Wettbewerbsstärke des Kunden und damit seines Wachstums in dem (strategischen) Geschäftsfeld
  • Informationsumfang, den das Anbieterunternehmen vom Einzelkunden erhält und der Relevanz für die zukünftigen eigenen Aktivitäten [Informationswert]
  • Anzahl der Referenzen, die der Einzelkunde an potenzielle neue Kunden für das Anbieterunternehmen gibt [Referenzwert]
  • Einschätzung der Entwicklung des eigenen internen Zinsfußes etc.

 

Man sieht: Es handelt sich um viele Einzelheiten, deren Bedeutung und Definition man vor der Erfassung genau klären und im Industrieunternehmen mental durchdringen muss. Dennoch sind die so festgestellten Kundenwerte valide ermittelt und bilden somit das Ergebnis der eigenen Sicht der bestehenden Kundenbeziehung und deren Entwicklungsmöglichkeiten ab.

 

Wir haben selbst in schwierigen Turnaround-Situationen erlebt, dass ein Businessplan auf Einzelkundenwerte innerhalb von 12 Wochen aufgebaut werden kann. Und immer wurden die Verhandlungen des Unternehmens mit Banken, Kreditversicherern, Investoren schon deutlich entspannter. Zumal dann die Umsetzung der Einzelkundensteuerung in die praktische operative Arbeit sofort beginnen und im Markt greifen kann.  

 

Denn das Ganze basiert auf das, was B. Joseph Pine III sagte: „Kunden wollen nicht mehr Auswahl. Sie wollen genau das, was sie wollen. Wann, wo und wie sie es wollen“.