Finanzmanagement und Finanzierung

ESG-Anforderungen an Finance-Fachkräfte

Ein inhaltlicher Rückblick auf die BDU-Fachverbandssitzung Sustainable Finance und ESG

Seit fast 20 Jahren hat sich der BDU-Fachverband Finanzierung + Controlling (gegründet als Fachverband Finanzierung + Rating) als Austauschplattform für Finanzierungsexperten etabliert. Anlässlich der diesjährigen Veranstaltung am 4./5.5.2023 begrüßten Prof. Dr. Karl W. Giersberg (Vorsitzender des BDU-Fachverbands Finanzierung + Controlling) und Ralph P. Obersteiner (Mitglied des Vorstands) wiederum zahlreiche Finanzexperten in Leipzig. Im Fokus lagen die Entwicklungen rundum die Nachhaltigkeit. Das Thema ist auch bei Finanzierungsberatern im täglichen Leben angekommen, beispielsweise im Rahmen von Immobilienfinanzierungen. Giersberg berichtete über Satzungsänderungen einer Sparkasse, wonach nicht nachhaltige Projekte nicht mehr bedient werden. Obersteiner ermunterte die Teilnehmer zur Teilnahme an einer Dokumentation der Sitzungsergebnisse in Form der Beantwortung eines Fragebogens zum Beginn und zum Ende des Programms, um den Erkenntnisfortschritt abschätzen zu können.

 

ESG-Anforderungen an das Controlling

Die aktuellen ESG-Anforderungen an das Controlling stellte Dr. Hans-Jürgen Hillmer (Inhaber des Bus-Netzwerks für Betriebswirtschaftliche und Steuerliche Fachinformationen, u.a. freiberuflich tätig als Chefredakteur der KSI) vor. Ausgangspunkt waren laut Studien – insbesondere des ICV (Internationaler Controller Verein) – große Defizite der Umsetzung von ESG-Anforderungen in Controlling-Instrumenten. Die Umsetzung begegnet in der Praxis oft noch grundlegenden Hemmnissen. Das Grundproblem sehen die vom Referenten zitierten Studienautoren darin, dass sich derzeit die Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit stärker von äußeren Faktoren als inneren Motiven leiten lassen. Lediglich ein Drittel verfolgt eine nachhaltige Ausrichtung, weil sie dem eigenen Selbstverständnis entspricht. Zu den wichtigsten Treibern zählen neben den gesetzlichen Anforderungen die Energie- und Ressourceneffizienz (76%) und die Markterwartungen (69%). Von einer konsequent nachhaltigen Unternehmensführung ist der deutsche Mittelstand demnach noch weit entfernt: Das zeigt sich u.a. darin, dass nur ein Viertel der befragten Unternehmen die Fortschritte ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen misst. Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der befragten Mittelständler (54%) angesichts des enormen bürokratischen Aufwands eher ein Greenwashing erwartet: Das Risiko einer halbherzigen Umsetzung schätzen die Nachhaltigkeitsbeauftragten unter den Befragten besonders hoch ein – mit 63% liegen sie 9% über dem Durchschnitt aller Befragten. Für den PwC-Experten Rittmann ist das „fatal, weil es darauf hindeutet, dass diese Mitarbeitenden den Eindruck haben, als Feigenblatt herhalten zu müssen. Als strategisches Thema muss Nachhaltigkeit aber immer auf höchster Ebene angesiedelt sein.“ Von dem Handlungsdruck betroffene Unternehmen müssen ihre Aktivitäten folglich nach den Empfehlungen von Hillmer in drei Richtungen forcieren:

(1) Strategische Verankerung der nachhaltigen Ausrichtung, um die Eigenmotivation zu forcieren und Feigenblatt-Gefühlen vorzubeugen;

(2) Messung der Nachhaltigkeitsaktivitäten, um Transparenz über „Glaubenssätze“ hinaus zu erzeugen;

(3) Kommunikative Begleitung der Nachhaltigkeitsausrichtung nach außen (Nachhaltigkeitsberichterstattung) und innen (internes Reporting, letztlich auch als Basis der nachhaltigkeitsorientierten Vergütung).

Die Nutzung der derzeit (noch) vorhandenen Freiheitsgrade stellt insbesondere für mittelständische Unternehmen eine Chance dar, einen pragmatischen und zu dem jeweiligen Unternehmen passenden Ansatz zu finden. Momentan kann noch jedes KMU seine individuelle „Nachhaltigkeitsreise“ starten. Beispielsweise können die Umweltindikatoren der GRI zur Erfolgsmessung und Berichterstattung auf freiwilliger Basis genutzt werden. Das schaffe insbesondere für Unternehmen, die erstmals zu ihrem Nachhaltigkeitsmanagement berichten, individuellen Gestaltungsspielraum und könne die Basis für eine erste Nullmessung legen, die dann in den kommenden Jahren sukzessiv weiter ausdifferenziert werden kann.

 

In seinen zusammenfassenden Empfehlungen regte der Referent an, dass die Entwicklung über das „Vermeiden von negativen Investments“ hin zur Förderung von nachhaltigeren Geschäftsmodellen und konkreten Transformationsfinanzierungsmodellen gehen müsse. Besonders wichtig sei die Schaffung einer umfassenden Datenbasis, weil eine deutlich ausführlichere Berichterstattung zur Nachhaltigkeit der Geschäftsprozesse nötig sein wird. Die Investition in nachhaltige Technologien und digitale Prozesse ist ein weiteres Handlungsfeld: In vielen Unternehmen stelle die mangelnde Digitalisierung eine der größten Hürden bei der Bereitstellung von Nachhaltigkeitsdaten dar. Der Schlussappell lautete: Nachhaltigkeit muss als Werttreiber statt als Verzichtsgebot verstanden werden.

 

Sustainability Linked Loans

Anschließend waren Sustainability Linked Loans das Thema von Martina Eisgruber (RA, Associate, Latham & Watkins LLP). Sie stellte zunächst alternative ESG-Finanzierungen im Überblick vor. Als activity-based sind folgende Varianten im Umlauf (schon etwas länger, seit ca. 20 Jahren, allerdings zunächst über viele Jahre auf sehr niedrigem Niveau): Green Bonds, Green Loans, Social Bonds, Social Loans, Sustainability Bonds. Neuer sind Kreditverträge, in denen Zinsmargen an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind. Das gesamte Sustainable-Finance-Volumen hat seit 2019 seinen rasanten Anstieg erfahren.

 

Die Zinsanpassung im Sustainability Linked Loan kann an die Leistung in Bezug auf bestimmte Key Performance Indicators (KPIs) oder an ein ESG-Rating geknüpft werden. Ein ESG-Rating wird von einer externen Ratingagentur erstellt, die den Darlehensnehmer mit einem Punktesystem bewertet. Zur Ermittlung der Punktzahl führen die Ratingagenturen in der Regel eine jährliche Bewertung anhand von ESG-Kriterien durch, die je nach Branche des Darlehensnehmers überprüft und standardisiert werden. Als Teil des Bewertungsprozesses sammelt die Ratingagentur öffentlich verfügbare Informationen über den Darlehensnehmer ein und kann auch direkt mit ihm Kontakt aufnehmen. Der Vorteil der Verwendung eines ESG-Ratings liegt darin, dass für die Einhaltung und Berichterstattung der Nachhaltigkeitskriterien keine internen Ressourcen genutzt werden müssen. Der Nachteil des ESG-Ratings ist neben der Intransparenz des Bewertungsprozesses, dass ein solches Rating nicht individuell auf den Darlehensnehmer zugeschnitten ist und das Ergebnis des Ratings je nach Ratingagentur variieren kann.

 

Die Alternative ist die Verwendung von KPIs, um die Erfüllung von bestimmten Nachhaltigkeitskriterien zu messen. Der Vorteil der Verwendung von KPIs besteht darin, dass die Nachhaltigkeitskriterien maßgeschneidert sind und sowohl auf die Gesamtstrategie des Unternehmens als auch auf seine ESG-spezifischen Bestrebungen angepasst sind.

 

Die von der Loan Market Association veröffentlichen Sustainability-linked Loan Principles geben vor, dass die Glaubwürdigkeit des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Darlehen untrennbar mit der Auswahl glaubwürdiger KPIs verbunden ist. Um Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden, müssen die Darlehensnehmer – so mahnte die Referentin Eisgruber an –ehrgeizige und für das Unternehmen aussagekräftige KPIs auswählen, die sich mit den für die jeweilige Branche relevanten ESG-Herausforderungen befassen.

 

Darüber hinaus sollten die KPIs mit Hilfe eines konsistenten und methodischen Prozesses quantifizierbar sein und, sofern möglich, ein Benchmarking mit einer externen Referenz ermöglichen. Um die Aussagekraft der KPIs zu erhöhen, muss sichergestellt werden, dass die Vereinbarung die KPIs angemessen definiert und sowohl die Berechnungsmethode als auch alle Basiswerte sowie alle Branchenstandards, die für das Benchmarking verwendet werden, festlegt. Anhand eine Case Study wurde von Eisgruber beschrieben, wie KPIs in Kreditverträgen berücksichtigt werden und welche Funktion ein Sustainability Report hat.

 

Sustainable Finance – mehr Schein als Sein?

Der Referent Max Deml (Chefredakteur Öko-Invest) begann mit einem Überblick über die neuen rechtlichen Grundlagen, so der Taxonomie-VO und der Offenlegungs-VO. Der EU Green Deal werde in den nächsten 30 Jahren pro Jahr 200 Mrd. € p.a. an Ausgaben verursachen. Im März 2021 trat die EU-Offenlegungs-VO in Kraft, die u.a. Fondsgesellschaften, Lebensversicherungen, Pensions- und Vorsorgekassen sowie Berater und Vermittler betrifft: So müssen Emittenten von Finanzprodukten angeben, wie ESG-Aspekte in den Produkten berücksichtigt werden.

 

Deml stellte aber zur Diskussion, wie grün grüne Finanzprodukte tatsächlich sein können sein. So gehe das Geld bei börsennotierten Aktien nicht ins Unternehmen, sondern an die Vorbesitzer(innen) der Aktien (Ausnahme: Erstausgabe/Kapitalerhöhungen); auch bei Investmentfonds sei kein direkter Finanzierungseffekt feststellbar und bei Zertifikaten fließe das Geld formal ein Darlehen an den Emittenten. Mehr „Impact“ im Sinne einer ökologischen Wirkung haben seiner Ansicht nach:

  • Beteiligungen an Windpark-/Solarpark-Betreiber-Fonds,
  • Kapitalerhöhungen bei außerbörslichen Aktien
  • Start-up- und VC-/private-equity-Investments
  • Unternehmens-(Wandel-)Anleihen, Genossenschaftsanteile (z.B. Bürgerenergie, oikocredit),
  • Sparbriefe, Genussscheine (z.B. von GLS oder Umweltbank),

Dies gelte aber nur, wenn mit diesem Geld auch tatsächlich „grüne Kredite“ vergeben werden. Ansonsten könne von ESG-Ratings nur eine pädagogische Wirkung erwartet werden, sich mit der Thematik ernsthafter zu beschäftigen. Trotz aller Gefahren des Green washing seien grüne Investments im „mainstream“ angekommen, nicht selten mit höheren Renditen. Deml beobachtet, dass enttäuschte Kunden „konventioneller“ Banken zur Umweltbank & Co. Wechseln. Er zeigte einen beeindruckenden Vergleich zweier Bankaktien (Kursentwicklung seit 2004):

  • Deutsche Bank (D): -82% (von über 52 auf unter 10 Euro)
  • UmweltBank (D): +820% (von 1,30 auf rund 12 Euro)

 

Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Fortgesetzt wurde das Tagungsprogramm am zweiten Veranstaltungstag mit einem Einblick in die ESG-Anforderungen an die Wirtschaftsprüfung, der von Prof. Dr. Patrick Velte, Leuphana University Lüneburg, vorgetragen wurde. Die Inhalte seines Vortrags speisten sich aus der Darlegung der regulatorischen Rahmenbedingungen zum neuen Nachhaltigkeitsbericht (EU-Corporate Sustainability Reporting Directive – CRSD) und zu den geplanten nachhaltigkeitsbezogenen Sorgfaltspflichten (EU-Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie – CSDD).

Der neue Nachhaltigkeitsbericht nach der CSRD 2022 werde eine deutliche Ausweitung des Anwenderkreises geben. Man schätzt eine Vervierfachung auf ca. 15.000 Unternehmen. Erfasst sind neben den „großen“ Kapitalgesellschaften, Banken, Versicherungen (> 20 Mio. € Bilanzsumme oder > 40 Mio. Umsatzerlöse oder > 250 Mitarbeiter) alle börsennotierten Unternehmen (kleine und mittelgroße Unternehmen). Vorgesehen ist auch der Einbezug von Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU. Das beginnt schon ab dem Geschäftsjahr 2024 für diejenigen, die jetzt schon berichtspflichtig sind; ab 2025 dann sind alle mit mehr als 250 Mitarbeitern erfasst. Die 15.000 sind nur diejenigen Unternehmen, die direkt betroffen sind, hinzu kommen die indirekt betroffenen über Anforderungen der Lieferkette und des Kapitalmarkts, geschätzte mit mindestens 150.000 (eher mehr, zudem auch die mit weniger als 250 MA). Die bisherige nichtfinanzielle Erklärung wird demgegenüber – so Velte ausdrücklich – nur noch eine Fußnote sein.

Zu beachten ist die Verbindung zwischen der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der EU-Taxonomie-Verordnung: Nach Art. 8 EU-Taxonomie-Verordnung ist die Ableitung von drei Kennzahlen zu nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten (Taxonomie-Quoten) erforderlich:

  • „grüne“ Umsatzerlöse von Produkten und Dienstleistungen
  • „grüne“ Investitionsauszahlungen (Capital Expenditures – CAPEX)
  • „grüne“ laufende Betriebsaufwendungen (Operating Expenditures – OPEX)

Velte erwartet eine zentrale Informationsfunktion für Kapitalgeber, aber auch Komplexitäts- und Objektivitätsprobleme; die Aussagekraft muss sich erst noch entwickeln. Als Inhaltskriterien für den„neuen“ Nachhaltigkeitsbericht nannte er:

  • Starke Anlehnung am kapitalmarktorientierten Environmental, Social, and Governance (ESG)-Konzept
  • Darlegung der Resilienz bzgl. der Nachhaltigkeitsrisiken und Gewährleistung, dass Geschäftsmodell und Strategie zur Transformation zu nachhaltiger Wirtschaft (inkl. Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels der Klimaerwärmung) beitragen
  • Erläuterung zur Einbeziehung der Stakeholder-Interessen
  • Explizite Einbeziehung der Lieferkette in die Due Diligence-Prozesse
  • Explizite Orientierung an „doppelter“ Wesentlichkeit: „financial materiality“ (outside-In) oder „impact materiality“ (inside-out-Perspektive) rechtfertigen allein bereits Berichtspflicht
  • Nachhaltigkeitsbericht als Teilmenge des „Bilanzeids“ durch den Vorstand

Velte äußerte trotz größerer Berichtstiefe Zweifel, ob die beabsichtigte Eindämmung von „Greenwashing“ gelingen kann? Bisher gebe es keine flankierenden Gesetzespflichten des Vorstands zur Einrichtung eines ESG-Management (z.B. RMS).

 

Zur Prüfung ist die Überwachungspflicht durch den Prüfungsausschuss vorgesehen; ferner gibt es ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Übertragung der Aufgaben auf andere Instanzen. Velte sprach sich aber für eine Vorbehaltsaufgabe des WP aus. Die Pflicht zur materiellen Prüfung durch den Abschlussprüfer soll zunächst nur mit begrenzter Prüfungssicherheit erfüllt werden, später dann erfolgt der Übergang auf eine hinreichende Prüfungssicherheit). Der Referente erläuterte das Mitgliedstaatenwahlrecht zur Beauftragung eines WP, der nicht die Finanzberichterstattung prüft, und zur Beauftragung anderer unabhängiger akkreditierter Anbieter.

 

In der CSDD geht es dann nicht um die Berichterstattung, sondern um die Gestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements. Hier sind Anforderungen an die nachhaltige Unternehmensführung zu erwarten. Dies bedeutet die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten, insb. Menschenrechte, Klimawandel und umweltbezogene Konsequenzen (aus kurz-, mittel- und langfristiger Sicht), in die Sorgfaltspflichten. Ferner geht es um die Einbeziehung von Emissionsreduktionszielen in die Unternehmensplanung, sofern der Klimawandel als wesentliches Unternehmensrisiko identifiziert wird oder einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit hat. Geplant ist die Sicherstellung im Rahmen der Unternehmensplanung, dass das Geschäftsmodell und die -strategie zur Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen und das 1,5 Grad-Ziel nach dem Pariser Klimaschutzabkommen berücksichtigt wird. Ferner ist die Einbeziehung von Klimaschutz- und Emissionsreduktionszielen in der variablen Vergütung vorgesehen, sofern diese mit der langfristigen und nachhaltigen Unternehmensstrategie verknüpft wird.

 

Nachhaltigkeitsfaktoren im Bonitätsrating der deutschen Sparkassenorganisation

Hierzu trug Dr. Maik Grabau (Leiter Strategische Banksteuerung und Rechnungslegung, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V.) vor. Die zwei großen Bewertungsaufgaben beim Sustainable Finance (Nachhaltigkeit, in den Dimensionen ESG) liegen

  • einerseits in der Bewertung der Transformation. Analysiert wird, wie die Transformation vorankommt. Meist wird dabei eine Inside-Out-Perspektive eingenommen, gebildet werden u.a. ESG-Scorings oder ESG-Ratings;
  • und andererseits in der Bewertung von ESG-Risiken. Hier wird gefragt, wie ESG-Risiken finanziell wirken. Im Fokus liegt tendenziell eher die Outside-In-Perspektive; gebildet werden u.a. Credit-Scorings oder Credit-Ratings)

Vorgestellt wurde eine Branchenbewertung anhand des S-ESG-Score-Modells für die S-Finanzgruppe gem.  nachfolgender Grafik.

 

Indikatoren für die jeweiligen Kriterien sind:

  • E1: CO2-äquivalente Emissionen (Scope 1-3) im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung (=Emissionsintensität)
  • E2: Wassereinsatz relativ zur Bruttowertschöpfung
  • E3: Umweltbezogene Steuern relativ zur Bruttowertschöpfung
  • E4: Expertenbeurteilung physischer Risiken, zukünftiger politischer Maßnahmen, technologischem Wandel und verändertem Kundenverhalten
  • S1: Ausschließlich geringfügig Beschäftigte im Verhältnis zur Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
  • S2: Ausgaben für Leiharbeiter im Verhältnis zur Anzahl aller Lohn- und Gehaltsempfänger
  • S3: Gender Pay Gap in Prozent
  • S4: Expertenbeurteilung sozialer Risiken aufgrund zukünftiger politischer Maßnahmen, technologischem Wandel und verändertem Kundenverhalten
  • G1: Governance-Index zur Bewertung von Korruption, Menschenrechtsverstößen, Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Sozialleistungsbetrug
  • G2: Expertenbeurteilung von Governance-Risiken aufgrund zukünftiger politischer Maßnahmen, technologischem Wandel und verändertem Kundenverhalten

Zusammenfassend betonte Grabau, dass Nachhaltigkeitsaspekte eine immer größere Rolle im Finanzierungsumfeld von Unternehmen und Banken (Sustainable Finance) spielen. ESG-Risiken sind keine eigene Risikoart. Sie wirken als (Risiko-)Treiber auf die klassischen finanziellen Risiken (outside-in-Perspektive). Derzeit muss (noch) zwischen ESG-Ratings und Credit-Ratings unterschieden werden. Langfristig werden beide miteinander verschmelzen. Marktstandards werden sich, so betonte er, erst sukzessive herausbilden.

 

Nachhaltigkeitsaspekte werden zukünftig einen wichtigen Einfluss haben auf

  • die Kreditwürdigkeit (insb. Bonität),
  • die Marktwerte (stranding assets),
  • das Pricing (z.B. über credit supporting factors) und
  • die Informations- und Berichtserfordernisse (CSRD bzw. nichtfinanzielle Berichterstattung) sowie auf
  • die (strategische) Kreditvergabepolitik der Banken und Sparkassen.

 

Die Nachhaltigkeitsgesellschaft

Über den Weg zu einer „Nachhaltigkeitsgesellschaft“ informierte abschließend Lydia Neuhuber (Geschäftsführerin Deloitte Sustainability & Climate GmbH). Vielen fehle noch die Eigenmotivation, etwas in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern. Wichtig sei, die Entwicklung der Regulatorik zu beobachten, daraus Strategien zu erarbeiten und die Maßnahmenumsetzung in Gang zu bringen. Häufig sind ihrer Beobachtung nach Probleme zu bearbeiten, für die noch keine Lösungen verfügbar sind; nichtfinanziell tickende Menschen etwa aus NGOs sind einzubringen und an neuen Wertvorstellungen orientierte Mitarbeiter sind zu gewinnen. Ganz wesentlich komme es auf die IT-gestützte Datengewinnung und -auswertung (tech-enabled sustainability) sowie die kommunikative Begleitung entsprechender Projekte (Change Mangement & Communication) an – insofern schloss sich der Kreis, indem sie die einführend von Hillmer im Einführungsvortrag herausgehobenen Zukunftsaufgaben (s.o.) bestätigte.

 

Ergebnisse der Fragebogenauswertung

Die Bewertungsunterschiede zu Beginn und zum Ende der Tagung lagen im Durchschnitt bei 0,44 Prozentpunkten (auf der Skala von 1- 10). Der höchste Zuwachs ergab sich bei der Frage, ob die Einführung der ESG-Kriterien und -Bewertungsregeln als sinnvoll anzusehen ist (von 5,79 auf 7,25). Der Fülle der vermittelten Informationen ist es wohl zuzuschreiben, dass ein Rückgang von 4,71 auf 4,58 für die Frage zu verzeichnen ist, ob die ESG-Kriterien klar, nachvollziehbar und objektivierbar sind. Fast unverändert blieb die Einschätzung, dass mit ESG ein Zuwachs an Bürokratie zu erwarten ist. Aus dem von Obersteiner formulierten Fazit sei noch erwähnt, dass die Teilnehmenden die Interessen des Mittelstands bei der Einführung der ESG-Regeln eher als nicht ausreichend berücksichtigt ansehen; die Bewertung habe sich bei Tagungsende zwar um mehr als eine halbe Note verbessert, liege aber immer noch unterhalb von 50 %. Ferner wurde seitens der Teilnehmenden eher bezweifelt, dass die ESG-Systematik „Greenwashing“ vermeidet und zu echter Nachhaltigkeit führt. Es dürfte für den Fachverband daher unerlässlich sein, an dem Thema dranzubleiben, zumal sich die weiteren Entwicklungsschritte aufgrund der regulatorischen Vorgaben mit hohem Tempo vollziehen dürften.