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Interview: "Beratung ist eine lifelong learning experience"

Prof. Dr. h.c. Roland Berger ist der Grandseigneur der deutschen Beratung und Ehrenmitglied des BDU und mit fast 80 Jahren ein Zeitzeuge und aufmerksamer Beobachter von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Mit BDU-Präsident Ralf Strehlau sprach er unter anderem über die Veränderungen und Trends in der Beratungsbranche und der deutschen Wirtschaft.

Ralf Strehlau: Sie sind kurz nach Ihrer Firmengründung als junger Berater 1969 zum BDU gekommen. War das nicht aus Ihrer Sicht damals ein "Altherrenclub"?
Roland Berger: Altherrenclub in Anführungszeichen, denn im BDU waren große Persönlichkeiten vertreten, wie zum Beispiel Gerhard Kienbaum oder Karl Baumgartner und es gab auch andere, jüngere Berater. Ich war damals eine Ein-Mann-Beratung mit noch wenigen Mitarbeitern und habe das BDU-Siegel mit Stolz auf meinem Briefpapier geführt.

 

Ralf Strehlau: Welche Erwartungen hatten Sie an die Mitgliedschaft im Verband?
Roland Berger: Für mich hatte der Verband vor allem die Aufgabe, die Reputation unserer Profession sicherzustellen, weil Unternehmensberatung einer der wenigen beratenden Berufe ohne amtlichen Fähigkeitsnachweis war und ist. Diese Freiheit hat natürlich auch Vorteile, weil wir uns schnell an die sich rasch wandelnden Realitäten anpassen und weiterentwickeln können. Es ist aber nach wie vor wichtig, dass es mit dem BDU eine Branchenvertretung gibt, die Unternehmen, Politik und Medien vermittelt, was die ethischen und qualitativen Grundlagen des Beraterberufs sind. Davon profitieren vor allem die kleinen und mittelgroßen Beratungen.

 

Ralf Strehlau: 1978/79 waren Sie dann selbst BDU-Präsident. Was war Ihre Mission?
Roland Berger: Mir war es wichtig, dass unser Berufsbild auch von jüngeren Beratern nachgefördert wurde, zum Beispiel um Neugründungen in unserer Branche zu begünstigen. Ende der 70er Jahre hatte ich mit prominenten Kunden wie der Deutschen Bank schon Bekanntheitsgrad und Reputation im Markt erlangt. Auf dieser Basis konnte ich den Beruf gut repräsentieren und darum habe ich mich sehr gerne für das BDU-Präsidentenamt zur Verfügung gestellt.
Ein zweiter Gedanke war die internationale Verknüpfung der deutschen Berater. Der BDU war damals schon Teil des europäischen Dachverbands FEACO und ich war später auch einige Zeit FEACO-Präsident.

 

Ralf Strehlau: In den 70er Jahren hat die IT eine wichtige Rolle als Treiber für Veränderung gewonnen und es herrschte Aufbruchstimmung. Heute ist die Digitalisierung das Treiberthema für Wirtschaft und Beratung. Welche Parallelen und Unterschiede sehen Sie zwischen damals und heute?
Roland Berger: Die Digitalisierung hat im B2C Business begonnen und einen viel stärkeren Impact auf unsere Gesellschaft und die Wirtschaft. Bei den Unternehmen geht es nicht mehr primär um innere Veränderungen, sondern um das Geschäftsmodell an sich.
In den 70er Jahren lagen die Herausforderungen der deutschen Wirtschaft darin, sich auf die veränderte Kommunikation mit den Kunden einzustellen und durch neue beschleunigte Wertschöpfungsprozesse Produktivität zu steigern, Kosten zu senken und marktlich wettbewerbsfähig zu werden.

 

Ralf Strehlau: Wie hat die deutsche Industrie diese Veränderungen damals gemeistert?
Roland Berger: IT und Automatisierung kamen überwiegend aus USA und auch über Japan zu uns. Elektronik substituierte die Mechanik. Es gab relativ wenige deutsche Player im Hardware- und Softwaremarkt und die deutsche Industrie war beunruhigt über den japanischen Wettbewerb, der – was numerische Steuerungen anbelangte – am Anfang die Nase vorn hatte. Automobil- und Werkzeugmaschinenindustrie haben sich den Herausforderungen damals erfolgreich gestellt. Andere urdeutsche Industriezweige wie zum Beispiel Hersteller von Kameras, Elektrogeräten und Unterhaltungselektronik wurden eliminiert. 


Ralf Strehlau: Wie ist es jetzt? Reagiert die deutsche Wirtschaft aus Ihrer Sicht schnell genug auf die digitalen Veränderungen?
Roland Berger: Ich denke, die deutsche Wirtschaft hat im B2B Geschäft alle Chancen, wenn sich die Industrie und die führenden Business Dienstleister wettbewerbsfähig aufstellen. 50 Prozent unserer Wertschöpfung in Deutschland ist wissensbasiert. Im Internet of Things kommuniziert alles mit allem: der Mensch mit der Maschine und mit den Werkstücken, die Maschinen mit den Kunden, die Maschinen untereinander. Dazu kommen Big Data Management und Künstliche Intelligenz. Alles, was wir jetzt in die Wege leiten, wird selbstlernend. Auch in unseren Dienstleistungsbranchen tut sich bereits eine Menge: im Handel, bei Banken, Versicherungen, Rechtsberatung, medizinischen Dienstleistern etc.

 

Ralf Strehlau: Wie können Unternehmensberater die digitalen Veränderungsprozesse optimal unterstützen?
Roland Berger: Natürlich ist die Digitalisierung ein Riesenthema für Berater, aber die notwendige technische Expertise für die Transformationsberatung ist eine Sache für Spezialisten und darf nicht unterschätzt werden. Ein klassisch aufgestellter Unternehmensberater sollte nicht versuchen, an der Oberfläche mitzureden. Zum einen, weil die großen Industrie- und Handelsunternehmen und auch einige mittelständische Unternehmen mittlerweile immenses technologisches Know-how aufgebaut haben. Zum anderen, weil die großen internationalen Strategieberatungen mit dem Ausbau der Organisations- und Prozessberatung auch ihr Angebot an Informatikdienstleistungen deutlich erweitert haben. Es erfordert hohen Aufwand, um bei den digitalen Technologien auf der Höhe der Zeit zu sein und zu bleiben.

 

Ralf Strehlau: Gibt es noch weitere Veränderungen, die Sie in Bezug auf unsere eigene Branche beobachten?
Roland Berger: Als Strategieberater haben wir früher 60 Prozent unserer Honorare mit der Informationsbeschaffung eingespielt und 40 Prozent mit strategischen Empfehlungen, die aus diesen Informationen abgeleitet wurden. Heute liegt die Wertschöpfung der Information zwischen 0 und 10 Prozent und 90 Prozent oder mehr beträgt der Content, den wir zur Lösung eines Problems liefern. Außerdem beschleunigen sich unsere eigenen internen Prozesse erheblich.

 

Ralf Strehlau: Aus meiner Zeit bei KPMG kenne ich noch das Modell der klassischen Beratungspyramide. Die höhere Bedeutung des Contents stellt dieses Modell für viele Beratungen in Frage. Können Sie das bestätigen?
Roland Berger: Ja, der zunehmende Margen- und Wettbewerbsdruck in der Beratungsbranche verändert auch unsere Honorar- und Organisationsmodelle.
Reine Strategieberatung macht heute nur noch einen kleinen Teil des Gesamthonorarvolumens aus. Strategieberater liefern bis zu 80 Prozent Operations-Leistungen, die z. B. auch von PwC, Accenture oder Infosys in großem Umfang erbracht werden. Und Strategieberatungen sourcen ebenso wie diese Anbieter Infrastrukturarbeiten nach Indien oder nach Rumänien aus.
Die großen Strategieberater können bisher durch ihre Reputation mit dem CEO arbeiten und noch immer höhere Tagessätze durchsetzen. Das gilt weiterhin, solange die Marken noch tragen, aber auf Dauer könnte es schwierig werden, die Markendifferenzierung und damit die höheren Honorare aufrecht zu erhalten.

 

Ralf Strehlau: Heißt das, die Geschäftsmodelle der Berater entwickeln sich weiter, aber nicht so sprunghaft wie auf der Mandantenseite?
Roland Berger: Die jüngeren Generationen von Beratern oder Partnern, die mit digitaler Technologie aufgewachsen sind, werden den Wandel der Beratungsprozesse und der Geschäftsmodelle schnell vorantreiben. Der Druck aus dem Wettbewerb wird daher nicht sehr viel geringer sein als in der Industrie und er wird - mit der zunehmenden Commoditisierung von bestimmten Beratungsleistungen bei den Großen - intensiver. Aber eine Sache hat sich nicht verändert. Der Kunde muss nach wie vor überzeugt werden, für etwas zu bezahlen, das noch nicht greifbar ist. Da spielen Merkmale wie Persönlichkeit, Vertrauen, Integrität, Leistung und die Reputation eines Beraters eine entscheidende Rolle. 


Ralf Strehlau: Würden Sie zustimmen, dass neben diesen Faktoren auch das Erfahrungswissen des Beraters an Bedeutung gewonnen hat?
Roland Berger: Nach meiner Auffassung ist es eine ausgewogene Kombination von Erfahrungswissen und neugierigem, impulsivem, kreativem Input. Letzteres ist in erster Linie ein Privileg der jüngeren Berater. Aber die oberen Hierarchieebenen in den Unternehmen müssen ein Gefühl dafür entwickeln, was sie ihren Mitarbeitern an Veränderung zumuten können und wie sie glaubwürdig bleiben in diesem Prozess. Dafür brauchen sie einen Berater mit einigen Jahren, besser Jahrzehnten Lebens- und Berufserfahrung, also Erfahrungswissen. Da heutzutage ein Beratungsunternehmen selten alleine in einem Unternehmen arbeitet, ist für uns entscheidend, ob wir für den Vorstand arbeiten oder der Wettbewerber.

 

Ralf Strehlau: Es herrscht also Arbeitsteilung unter Wettbewerbern?
Roland Berger: Als ich in der Strategieberatung startete, hat in einem Unternehmen jeweils nur eine Beratung den großen Auftrag bekommen. Im Anschluss gab es vielleicht noch die eine oder andere Implementierungsaufgabe. Ich musste mich damals im Wettbewerb mit den amerikanischen Größen durchsetzen. Heute engagieren Öffentliche Auftraggeber und große Unternehmen regelmäßig mehrere Beratungsunternehmen nebeneinander je nach Reputation, kognitivem Know-how und persönlicher Glaubwürdigkeit. Die Beratungswelt hat sich diesbezüglich geändert und ist sehr kompetitiv geworden.

 

Ralf Strehlau: Es gibt aber keinen Grund zur Klage. Der deutsche Beratungsmarkt ist im letzten Jahr wieder um 7 Prozent gewachsen.
Roland Berger: Was unserer Branche dabei hilft, sind das internationale und das technologiegetriebene Wachstum. Uns Deutsche betreffen Internationalisierung und digitaler technischer Wandel besonders stark, weil unsere Wirtschaft einen hohen Industrieanteil aufweist und der Technologieanteil in unseren industrienahen Dienstleistungen signifikant ist. Den industriellen Entscheidern ist bewusst, dass sie den Wandel nicht verschlafen dürfen. Natürlich könnte alles noch besser und schneller laufen, aber unser Wirtschaftsportfolio ist im internationalen Vergleich einzigartig kundenorientiert aufgestellt.

 

Ralf Strehlau: Wenn wir beim internationalen Vergleich bleiben. Stellen Sie Unterschiede in der Philosophie und Arbeitsweise zwischen amerikanischen und deutsch bzw. europäisch geprägten Unternehmensberatungen fest?
Roland Berger: Der deutsche oder europäische Ursprung ist als Asset für Roland Berger weltweit unverzichtbar. Was uns von den amerikanischen Wettbewerbern unterscheidet, ist die Werteorientierung und Philosophie der Unternehmensführung: Stakeholder Management statt Shareholder Management, Kunden-Benefit statt finanzielle Orientierung, eine starke Content-Orientierung sowie die Kreativität und Langfristigkeit des Denkens. Ganz anders ist auch der Mitarbeiterbezug des Managements mit dem europäischen Sozialmodell. Diese Unterschiede verschaffen uns Vorteile speziell in der Beratung in Asien, welches nach wie vor der größte Wachstumsmarkt ist. Dort ist unser deutscher Ursprung immer ein gutes Argument dafür, uns als Alternative beim Pitch zu beteiligen.

 

Ralf Strehlau: Machen Ihnen die starken Einflüsse der Monopolisten aus dem Silicon Valley keine Sorgen?
Roland Berger: Wir müssen uns eingestehen, dass der Zug im digitalen B2C Geschäft für Deutschland abgefahren ist. Da liegen die USA und China vorn. Bei allem, was damit verbunden ist, wie z. B. Datenzugang und Daten-Management als Wettbewerbsvorteil, müssen wir überlegen, wie wir dieser Dominanz als Europäer begegnen können.
Aber im B2B Bereich überwiegen die Vorteile und bieten sich umso mehr Chancen, da wir die bessere Industrie und den größeren Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt aufweisen. Die deutsche Wirtschaft ist sehr stark wissensbasiert und auf einem hohen Level, anders als im Rest der Welt. Als Berater müssen wir das Bewusstsein dafür wecken und auch den Optimismus, dass wir Google oder Amazon im B2B Geschäft durchaus etwas entgegenzusetzen haben.

 

Ralf Strehlau: Ich würde gerne noch ein Thema anschneiden, das unserer Branche aktuell eine kritische Berichterstattung beschert: die Pro-bono-Beratung im Öffentlichen Sektor. Sie waren und sind sehr gut vernetzt und haben auch Politiker pro bono beraten. Wie ist aus Ihrer Sicht das Verhältnis Politik-Berater beim pro bono?
Roland Berger: Das haben wir bei Roland Berger immer sauber getrennt. Die persönliche Beratung von Spitzenpolitikern war meine persönliche Angelegenheit, ad personam und pro bono. Projekte wurden über Ausschreibung gewonnen. Negative Schlagzeilen hatten wir 2004 im Zusammenhang mit Aufträgen aus der Bundesanstalt für Arbeit. Die Behauptung, unsere Verträge seien ohne Ausschreibungsverfahren zustande gekommen, war allerdings nachgewiesenermaßen falsch und Herr Gerster wurde leider völlig zu Unrecht angegriffen. Im Übrigen haben wir auch in diesem Fall parallel zu Wettbewerbern bei der Bundesanstalt für Arbeit gearbeitet. Es kommt übrigens durchaus vor, dass Beratungsunternehmen zu Beginn eines Auftrags ohne Gegenleistung arbeiten. Das ist dann aber eine reine Marketingmaßnahme und nicht pro bono.

 

Ralf Strehlau: Wir brauchen saubere Begrifflichkeiten. Als Berufsverband müssen wir definieren, was pro bono ist und was legitimes Marketing.
Roland Berger: Genau da liegt das Problem. Wenn ich Presales innerhalb eines Ausschreibungsverfahrens einsetze, dann ist es legitim, denn es fällt unter die Bewertung. Kritisch wird es dann, wenn eine finanzstarke Beratung sich vor einem Ausschreibungsverfahren durch pro bono Informationsvorteile verschafft und dann, wenn die Ausschreibung tatsächlich startet, mehr weiß als die Wettbewerber und Personen kennt. Von dieser Eintrittskarte zum Kunden halte ich nicht viel.

 

Ralf Strehlau: Bei Unternehmen ist es gängige Praxis, mit Vertriebsinvestitionen in den Kunden in Vorleistung zu gehen. Bei Pro-bono-Beratung geht es aber um gesellschaftliche Verantwortung.
Roland Berger: Pro bono arbeite ich für einen Politiker oder eine gemeinnützige Institution. Wenn ich in einem Unternehmen Vorleistungen erbringe, dann habe ich die Eintrittsschwelle zum Kunden ja schon überschritten. Das wird häufig missverstanden. Im Unterschied zu Rechts- oder Werbeberatern gehen wir als Unternehmensberater in das beratene Unternehmen hinein und verändern es. Bei der Vergütung von Beratung werden ohnehin neue Wege gegangen. 


Ralf Strehlau: Welche Entwicklungen erwarten Sie da?
Roland Berger: Bei den großen Unternehmensberatungen geht der Trend zu erfolgsbasierter Beratung statt Tageshonoraren, was den Beratungen im Erfolgsfall große Margen bringt und in den USA bereits ein etabliertes Modell ist. Das gilt weniger für klassische Strategieprojekte, bei denen der Erfolg oft nicht einfach messbar ist, aber für jede Art von Projekten in der Kosten- und Leistungsoptimierung.Was wohl auch immer mehr kommen wird, ist Consulting for Equity. Nicht nur bei Start-ups sondern auch bei Wachstumsunternehmen. Daraus ergeben sich zwangsläufig ein neues Risikoprofil und neue finanzielle Anforderungen sowie die Tendenz zur weiteren Konzentration in der Branche. Diesen Markt dominieren finanzstarke Beratungsunternehmen. Daher wäre es gut, die Entwicklungen zu verfolgen und Wege zu entwickeln, damit auch kleinere und mittelständische Spezial- und Nischenberater mithalten können.
 

Ralf Strehlau: Die mittelständische Wirtschaft hat generell eine wichtige Rolle in Deutschland und die Kapitalbeschaffung ist für alle ein zunehmend wichtiges Thema.
Roland Berger: Keine Frage - die Welt beneidet uns um unseren Mittelstand. Nur wenn ich als Berater Verständnis für dessen Werte und Philosophie mitbringe, kann ich mit dem Unternehmer auf Augenhöhe kommunizieren. Ich muss aber auch wissen, wie sich ein Mittelständler aufstellen kann, der möglicherweise aufgrund von Technologieänderungen in eine andere Größe hineinwachsen muss. Dazu gehört die Frage des Kapitalzugangs: mit oder ohne Börse, mit Mezzanine- oder Fremdkapital, als stille Beteiligung, mit Vorzugsaktien. Da müssen Berater mit Investmentbanken zusammenarbeiten oder deren Instrumentarium selbst beherrschen. 


Ralf Strehlau: Zum Schluss habe ich noch ein paar persönliche Fragen an Sie als den "Grandseigneur der deutschen Beratung". Wenn Sie auf Ihre lange Karriere zurückschauen, was waren Ihre größten Learnings?
Roland Berger: Größere Schlappen musste ich Gott sei Dank nicht einstecken. Wenn mal etwas weniger gut gelang, lag es – Learning Nummer eins – meist an unzureichender Kommunikation. Learning Nummer zwei: Es ist wichtig, so weit wie möglich im Voraus seine Nachfolge zu regeln. Dazu zählt bei einer partnerschaftlich organisierten Beratung beispielsweise, rechtzeitig einen ausreichend großen Kreis von Partnern aufzubauen, die einmal die Rolle des CEOs übernehmen können. Es ist immer gut, Optionen zu haben.

 

Ralf Strehlau: Und wo sehen Sie Ihre größten Erfolge?
Roland Berger: Vor allem bin ich stolz auf die Entwicklung des von mir gegründeten Beratungsunternehmens, das es ohne mich nicht gäbe und das als europäisches bzw. deutsches Beratungsunternehmen international ein herausragendes Standing hat.
Es gibt auch eine Reihe von Projekten, auf die ich stolz bin, weil sie besonders innovativ und kreativ waren. So ist aus einem ursprünglichen Marketingprojekt für Touropa die TUI AG entstanden. Der Treuhand haben wir bei ihrem Aufbau die Organisationsstruktur einer AG statt mehrerer AGs empfohlen, eine Maßnahme, die im Bundestag verabschiedet werden musste. Auch die Cebit wäre ohne unseren Einsatz damals wohl nicht in dieser Form entstanden. Last but not least bin ich sehr stolz darauf, was aus vielen unserer Mitarbeiter geworden ist. Bei Roland Berger haben sich etliche zu Persönlichkeiten mit beeindruckenden Karrieren in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft entwickelt.

 

Ralf Strehlau: Und welche Persönlichkeiten unter den Kunden haben Sie besonders beeindruckt?
Roland Berger: Besonders beeindruckt haben mich vor allem klassische deutsche Mittelständler und ihre familiengeführten Unternehmen. Unternehmerpersönlichkeiten wie etwa Berthold Leibinger und nun seine Tochter Nicola Leibinger-Kammüller bei Trumpf sind "Role Models" für die deutsche Wirtschaft, um nur ein einziges Beispiel herauszugreifen. Natürlich haben auch DAX-Vorstände Großes geleistet. Dieter Zetsche etwa kenne ich schon sehr lange und schätze ihn als herausragende Persönlichkeit und Manager. Spannend zu verfolgen waren auch die Entstehung und die ersten Jahre der Metro mit Otto Beisheim und seinem großartigen CEO Erwin Conradi.
Als Berater hatte ich über viele Jahrzehnte das Privileg, mit vielen großartigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik zu arbeiten und ich habe von jedem etwas gelernt. Das ist doch das Beste an unserem Beruf: Er ist eine "lifelong learning experience".

 

Ralf Strehlau: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Berger

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