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Gesetzliche Auswirkungen des Russlandkrieges auf die Consultingbranche

Die Sanktionen gegen Russland und Belarus haben in einer global agierenden Wirtschaft auch direkte Auswirkungen auf deutsche Beratungsunternehmen. Doch nicht nur nicht funktionierende Lieferketten sind ein großes Problem, sondern auch rechtliche Fallstricke lauern. Ole-Jochen Melchior, Rechtsanwalt und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, gibt einen Überblick zu aktuellen Gesetzesvorgaben und Dienstleistungsverboten. 

Als Reaktion auf den von Russland geführten (und von Belarus unterstützen) Krieg gegen die Ukraine hat die EU ab dem 23.02.2022 ihre bereits seit 2014 bestehenden Embargomaßnahmen gegen Russland (und kurz darauf auch die seit 2006 bestehenden Sanktionen gegen Belarus) laufend erweitert und verschärft. In erster Linie ist hiervon der Warenverkehr betroffen, die entsprechenden Sanktionen sind daher vor allem von den Exporteuren und Importeuren zu beachten. Doch auch Berater/-innen und andere Dienstleister laufen Gefahr, gegen die Embargomaßnahmen zu verstoßen, was als Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt und geahndet werden kann.

 

Beispiel 1: Verstoß gegen personenbezogene Maßnahmen

Gemäß Art. 2 Abs. 2 der VO (EU) 296/2014 ist es verboten, den in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. „Gelder“ sind finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art, das heißt natürlich Bargeld, aber zum Beispiel auch Zahlungsansprüche, Wertpapiere, Zinserträge, Dividenden, Kredite oder Bürgschaften. Der Begriff „wirtschaftliche Ressource“ erfasst im Prinzip alles, was gegen Entgelt veräußert oder überlassen werden kann, also insbesondere (Handels-) Güter aller Art, aber etwa auch Patente, Lizenzen und andere Rechte. Der Begriff des „Zurverfügungstellens“ oder Bereitstellens ist im weitesten Sinne zu verstehen und erfasst jede Handlung, die nach dem anwendbaren Recht erforderlich ist, damit jemand tatsächlich die vollständige Verfügungsbefugnis in Bezug auf die betreffenden Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen erlangen kann, also etwa die Zahlung von Geld, die Erklärung der Abtretung einer Forderung oder der Übernahme einer Bürgschaft, die Übereignung einer Ware oder die Übertragung bzw. Einräumung eines geldwerten Rechtes. Um Grundeigentum zu erwerben, bedarf es nach deutschem Recht einer notariellen Beurkundung, weshalb Notare direkt an dieses Bereitstellungsverbot gebunden sind. Ebenso können bestimmte Zertifizierungsleistungen zum Beispiel durch Sachverständige gesetzlich vorgeschrieben sein. Beratungsunternehmen, die keine „rechtlich erforderlichen“ Leistungen in dem vorstehenden Sinne für die nach Anhang I sanktionierten Personen oder Unternehmen oder für von diesen gehaltenen oder kontrollierten Unternehmen erbringen, dürften hingegen in aller Regel nicht von dem Bereitstellungsverbot betroffen sein. Entscheidend ist jedoch stets der Einzelfall.

 

Beispiel 2: Verstoß gegen güterbezogene Maßnahmen

Mit der VO (EU) 833/2014 wurden unter anderem Verkaufs-, Liefer- und Ausfuhrverbote in Bezug auf diverse Güter und Technologien verhängt. Daneben ist es allerdings immer auch verboten, für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder auch nur zur Verwendung in Russland unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder „andere Dienste“ im Zusammenhang mit solchen Gütern und Technologien zu erbringen.

Der Begriff „andere Dienste“ ist laut der Kommission umfassend und weit zu verstehen und würde daher auch Beratungsleistungen einschließen. Zudem müssen die Dienste nicht zwingend direkt für ein russisches Unternehmen erbracht werden. Es reicht aus, dass die Beratung „zur Verwendung in Russland“ erfolgt. Erforderlich ist aber stets ein konkreter Zusammenhang mit den sanktionierten Gütern und Technologien. Die Beratung eines nicht-russischen Unternehmens, welches solche Güter vertreibt und unter anderem auch nach Russland liefern will, zum Beispiel in Bezug auf die allgemeine Optimierung von Lieferprozessen wäre demnach wohl keine verbotene Dienstleistung. Anders könnte dies zu beurteilen sein, wenn das Unternehmen ausschließlich Russland-Geschäft betreibt. Auch die Beratung bei der Gestaltung eines konkreten Vertrages betreffend die Lieferung derartiger Güter nach Russland dürfte dem Verbot unterfallen. Jedenfalls dem Wortlaut nach gilt dies auch unabhängig davon, ob es dann tatsächlich zu der Lieferung kommt oder nicht.

 

Beispiel 3: Täterschaft und Teilnahme

Vorsätzliche Verstöße gegen die Embargomaßnahmen stellen gemäß § 18 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) Straftaten dar, weshalb nach allgemeinem Strafrecht immer auch eine Mittäterschaft oder Beteiligung an einer fremden Tat in Betracht kommt. Die Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere die konkrete Straftat gemeinschaftlich im Sinne eines objektiv und subjektiv gezielten Zusammenwirkens begehen und zwar auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses und in arbeitsteiligem Zusammenwirken. Allerdings muss der Tatbeitrag des Mittäters ein gewisses Gewicht aufweisen. Alle Mittäter müssen eine gemeinschaftliche, funktionelle Tatherrschaft innehaben und hieran dürfte es bei den Dienstleistungen eines Beratungsunternehmens vermutlich in aller Regel scheitern. Naheliegender erscheint, dass einem/r Berater/-in der Vorwurf einer Beihilfe im Sinne von § 27 StGB gemacht werden kann. Danach wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener Straftat „Hilfe geleistet“ hat. Voraussetzung dafür ist der sogenannte „doppelte Gehilfenvorsatz“. Das heißt der Gehilfe muss einerseits den wesentlichen Unrechtsgehalt der Haupttat erfasst haben (ohne dass er nähere Einzelheiten kennen muss) und andererseits um seine Hilfeleistung wissen und zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er damit die Haupttat unterstützt. Ein solcher Vorwurf ist aber schnell gemacht, weshalb jede Beratungsleistung im Zusammenhang mit einem Russland-Geschäft nur mit größter Vorsicht erfolgen sollte.

 

 

Art. 5n erweitert "Russland-Embargo"

 

Mit der VO (EU) 2022/879 vom 03.06.2022 hat die Kommission das „Russland-Embargo“ (also die VO (EU) 833/2014) um einen Art. 5n erweitert, nach welchem es verboten ist, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung für die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen (nachfolgend nur kurz „Unternehmen“) zu erbringen. Im Rahmen des 8. Sanktionspaketes (VO (EU) 2022/1904 vom 6. Oktober 2022) wurde dieses Dienstleistungsverbot nun auch ausgeweitet auf die Bereiche Architektur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung und IT-Beratung.

 

Welche Dienstleistungen sind im Einzelnen betroffen?

Laut dem Erwägungsgrund Nr. (26) der VO (EU) 2022/879 umfassen Wirtschaftsprüfung, Buchführung und Steuerberatung die Führung von Geschäftsbüchern für Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer, Dienstleistungen der Prüfung von Geschäftsbüchern und Jahresabschlüssen, die Steuerplanung und -beratung für Unternehmen sowie die Zusammenstellung von Steuerunterlagen.

 

Unternehmens- und Public-Relations-Beratung umfassen die Beratung, Anleitung und praktische Unterstützung von Unternehmen bei der Durchführung unternehmenspolitischer und strategischer Maßnahmen und bei der Gesamtplanung, Struktur und Kontrolle einer Organisation. Eingeschlossen sind Managementgebühren, die Leistungsbeurteilung von Führungskräften, Beratungsleistungen in Fragen der Vermarktung, des Personalmanagements, des Produktions- und Projektmanagements sowie Beratung, Anleitung und praktische Unterstützung bei Maßnahmen zur Verbesserung des Rufes bei den Kunden und der Beziehungen zu anderen Einrichtungen und zur Öffentlichkeit.

 

Daneben hat die Kommission klargestellt, dass auch Lobbydienstleistungen eine Public-Relations-Beratung darstellen können, das heißt Tätigkeiten, die von Interessenvertretern/-innen mit dem Ziel ausgeübt werden, die Formulierung oder Umsetzung von Policy- oder Rechtsvorschriften oder die Entscheidungsprozesse der involvierten Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union zu beeinflussen, insbesondere (aber nicht ausschließlich) durch: Organisation von oder Teilnahme an Sitzungen, Konferenzen und Veranstaltungen sowie Aufnahme ähnlicher Kontakte mit EU-Organen; Beiträge zu oder Teilnahme an Konsultationen, Anhörungen oder ähnlichen Initiativen; Organisation von Kommunikationskampagnen, Plattformen, Netzwerken und Initiativen an der Basis; Ausarbeitung oder Beauftragung von Strategie- und Positionspapieren, Änderungsanträgen, Meinungsumfragen, Erhebungen, offenen Briefen, sonstigem Kommunikations- oder Informationsmaterial oder Beauftragung und Durchführung von Forschungsarbeiten.

 

Gemäß dem Erwägungsgrund Nr. (19) der VO (EU) 2022/1904 umfassen Architektur- und Ingenieurbürodienstleistungen auch integrierte Ingenieurbürodienstleistungen, Dienstleistungen von Städteplanern und Landschaftsarchitekten sowie mit Ingenieurbürodienstleistungen zusammenhängende wissenschaftliche und technische Beratungsdienstleistungen. Ingenieurdienstleistungen umfassen nicht technische Hilfe im Zusammenhang mit nach Russland ausgeführten Gütern, wenn deren Verkauf, Erbringung, Weitergabe oder Ausfuhr zum Zeitpunkt, zu dem diese technische Hilfe geleistet wird, nicht verboten ist.

 

IT-Beratungsdienstleistungen umfassen Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Installation von Computerhardware, Unterstützungsleistungen für Kunden bei der Installation von Computerhardware (d.h. physische Ausrüstung) und Computernetzen sowie Softwareimplementierungsdienste einschließlich aller Dienstleistungen, die Beratungsdienstleistungen zur Entwicklung und Implementierung von Software umfassen.

 

Rechtsberatungsdienstleistungen umfassen die Rechtsberatung für Mandanten in nichtstreitigen Angelegenheiten, einschließlich Handelsgeschäften, bei denen es um die Anwendung oder Auslegung von Rechtsvorschriften geht, die Teilnahme mit oder im Namen von Mandanten an Handelsgeschäften, Verhandlungen und sonstigen Geschäften mit Dritten oder die Ausarbeitung, Ausfertigung und Überprüfung von Rechtsdokumenten. Ausgenommen ist die Rechtsvertretung insbesondere in Angelegenheiten oder Verfahren vor Verwaltungsbehörden, Gerichten, anderen ordnungsgemäß eingerichteten offiziellen Gerichten oder in Schieds- oder Mediationsverfahren.

 

Wann liegt eine „mittelbare“ Erbringung von Dienstleistungen vor?

Das Kriterium der „Mittelbarkeit“ ist nicht legaldefiniert. Allgemein versteht man hierunter die Erbringung der Leistung an oder über einen Dritten, zum Beispiel Konzernunternehmen. Danach wäre es, so die Kommission, etwa verboten, die in Art. 5n genannten Dienstleistungen für ein Unternehmen zu erbringen, das selbst nicht in Russland ansässig ist, dessen Muttergesellschaft aber ihren Sitz in Russland hat, sofern – und das ist entscheidend – die Dienstleistungen tatsächlich der russischen Muttergesellschaft zugutekämen. Allerdings profitiert eine Muttergesellschaft natürlich immer in gewisser Weise von dem wirtschaftlichen Erfolg der gut beratenen Tochtergesellschaft. Das allein kann aber nicht ausreichen, wie sich auch daraus ergibt, dass die Kommission ergänzend auf das sog. Umgehungsverbot gemäß Art. 12 verweist, wonach es ebenfalls verboten ist, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen die Umgehung der in der Verordnung vorgesehen Verbote bezweckt oder bewirkt wird. Zum Beispiel: Die EU-Tochter beauftragt Leistungen, um die Leistungsergebnisse an die russische Mutter weiterzugeben, weil diese die Ergebnisse für sich selbst benötigt, aber die Leistungen nicht beauftragen kann. In diesem Falle könnte die Leistungserbringung verboten sein.

 

Ist es auch verboten, Dienstleistungen für eine russische Tochtergesellschaft eines EU-Unternehmens zu erbringen?

Eine Ausnahme besteht für die Erbringung solcher Dienstleistungen, die zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene Unternehmen bestimmt sind, sofern sich diese im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle von Unternehmen befinden, welche nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats oder (neu seit dem 21.07.2022) nach dem Recht eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes oder der Schweiz oder (neu seit dem 06.10.2022) nach dem Recht eines „Partnerlandes“ (USA, Japan, UK und Südkorea) gegründet oder eingetragen sind. Umgekehrt bedeutet dies: Für russische Tochtergesellschaften von Unternehmen aus anderen Drittländern dürfen die genannten Dienstleistungen nicht erbracht werden. Daneben bestehen noch weitere Ausnahmetatbestände oder Genehmigungsmöglichkeiten.

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